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  • #26673
    newbury
    Teilnehmer

    Hallo Frau Schmitz / hallo Agenki-Leser!

    Ich stelle heute die Säure-Basen Prüfung über den Urin auf die Probe. Habe einen Bericht gefunden den ich Ihnen nicht länger vorenthalten möchte und würde mich freuen, Anregungen hierzu zu erhalten.

    Urin-Kontrollen sind nur bedingt tauglich
    Die tägliche mindestens anfallenden 80 mmol Säure müssen über die Nieren ausgeschieden werden. Die vielgepriesene Atmung als Regulans kann nur den pH des Blutes verschieben, nicht aber die Säure-Basen-Bilanz insgesamt verbessern. Im Gegenteil: eine respiratorische Alkalose geht paradoxerweise mit einem Basenmangel einher.

    Und nun rechnen Sie einmal mit:
    pH 0 entspricht 1 mol/L, pH 3 folgerichtig 1 mmol/L und pH 4 nur noch 0,1 mmol/L. Bei einer Urin-Ausscheidung von ca. 1,5 Liter pro Tag, angenommen ein extrem saurer Urin mit pH 4, werden also nur 0,15 mmol dissoziierte H+-Ionen insgesamt pro Tag ausgeschieden, die den pH bestimmen. Tatsächlich verlassen den Körper über die Nieren aber mindestens 80 mmol Säure pro Tag, und zwar in Form von NH4+ oder als titrierbare Säure, eingebunden in anderen puffernden Molekülen, die sich nicht im pH-Wert widerspiegeln. Wieder ist eine Illussion geplatzt, nämlich daß pH-Kontrollen des Urins eine sinnvolle Aussage über den Säure-Basen-Haushalt geben könnten.

    Und auch dieses macht die Urinkontrolle so anfällig:
    Wenn schon die sauren Valenzen des Intrazellulärraumes sich nicht im Plasma zeigen, dann natürlich noch viel weniger im Urin. Ein gefährlich übersäuerter Patient hat einen wunderbar alkalischen Urin. Und wenn denn schließlich eine wirksame Entsäuerung einsetzt, z.B. durch Kaliumgaben, dann wird logischerweise der Urin sauer, wir aber geraten in Sorge, anstatt zu frohlocken.

    Aber auch eine extrazelluläre Übersäuerung im Plasma spiegelt sich nur dann im Urin wieder, wenn die Niere für die Säure durchlässig ist. Die Säureausscheidung wird an der Niere durch das zinkhaltige Enzym Carboanhydrase gesteuert. Ist dieses Enzym inaktiv, z.B. durch einen Zinkmangel oder durch den Einsatz von Diuretika vom Typ Carboanhydrasehemmer, dann bleibt die Säure im Plasma und gelangt nicht in den Urin. Auch Zink gehört also zu einer wirksamen Entsäuerung.

    Säure-Basen-Diagnostik kann sinnvoll nur im Blut erfolgen.
    Wenn schon Urin zur Untersuchung herhalten soll, dann allenfalls mit dem von Sander beschriebenen Verfahren, bei dem in sechs Urinproben des Tages mit Evakuierung und mehrfachen Titrationen nach oben und unten in einem sehr aufwendigen Arbeitsgang die Netto-Basen-Exkretion des Tages gemessen wird. Meines Wissens wird das nur noch in zwei Laboratorien praktiziert.

    Für die Praxis könnte allenfalls ein Suchtest in Frage kommen, den van Slyke schon 1902 beschrieben hat: morgens einen guten Eßlöffel Kaisernatron einnehmen. Im Laufe der nächsten Stunden muß der Urin dann einen deutlichen Schub ins Alkalische machen. Tut er das nicht, können Sie von einer Übersäuerung ausgehen. Das Blut gibt den dringend benötigten Bikarbonatstoß um keinen Preis wieder her.

    Hoffe ich habe Euch mit dem Bericht nicht zu sehr strapaziert.

    Grüße Newbury

    #44008
    sharkara
    Teilnehmer
    #44009
    conny77
    Teilnehmer

    Hallo Newbury,

    Herr Golenhofen hat folgendes geschrieben:
    Nachdem die Säure-Basen-Messungen nach Jörgensen, van
    Limburg Stirum, Vincent und Sander von mir gründlich studiert und
    in meiner Praxis teilweise selber über eine gewisse Zeit angewendet worden sind, wurde deutlich, dass die Urinmessungen nach
    Sander die besten Ergebnisse zur Beurteilung einer Übersäuerung
    des Körpers liefern. Sander glaubte damals, den Urin titrieren zu
    müssen, um ausreichend genau auf die Säure im Urin schließen zu
    können. Bei genauerem Hinsehen konnte ich in meiner Praxis jedoch feststellen, dass diese Messgenauigkeit für zuverlässige Aussagen nicht erforderlich war.

    Ich habe selber auch mal einen Urintest nach Sander machen lassen (bevor ich die Seite hier entdeckt habe) und es ist auch herausgekommen, dass ich übersäuert bin.

    Du kannst es ja zum Vergleich auch mal machen lassen. Ist halt etwas teurer als die hier beschriebene Methode.

    Viele Grüße

    Conny

    #44012
    kundenbetreuung
    Verwalter

    Hallo Newbury,

    zu Ihrem Beitrag gibt es doch viele Übereinstimmungen.
    Beipiel: Alkalische Werte können auf eine starke Übersäuerung hinweisen. Ja, siehe Entgleisungsstufe 3.

    Hier ein Feedback von einem Labormediziner auf den Artikel „Messmethoden und Irrtümer der Säure-Basen-Medizin“ von Herrn Golenhofen: http://www.agenki.de/artikel/agenki-saeure-basen-haushalt.pdf

    Das Problem der Schulmedizin ist nicht im Verständnis des Säure-Basen-Haushalts, sondern in der Praxis. Die Blutuntersuchung auf pH/Gase reicht selbstverständlich nicht aus, um genau den Säure-Basen-Haushalt zu beschreiben. Jedoch: Abweichungen des Blut-pH-Wertes heissen Azidämie bzw. Alkaliämie. Als Azidose oder Alkalose bezeichnet man eine Abweichung der Konzentration/Menge der zugrundeliegenden Substanz, die einen Einfluss auf den pH-Wert hat.
    Es gibt z. B. kombinierte Störungen, wo der resultierende pH-Wert normal sein kann und trotzdem liegt eine Azidose oder Alkolose vor.
    a) Eine Hypoxämie führt zur Stauung von Laktat mit konsekutiver metabolischer Azidose (im Blut ist wenig Hydrogencarbonat).
    b) Erbrechen führt zum Verlust des Chlorids mit konsekutiver metabolischen Alkalose (im Blut ist zu viel Hydrogencarbonat).
    Wenn a) und b) gleichzeitig vorliegen, kann der pH-Wert im Blut normal (!) sein, obwohl eine kombinierte Störung des Säure-Basen-Haushalts vorliegt.
    All das ist der Schulmedizin bekannt, jedoch nicht unbedingt jedem einzelnen Arzt.

    Urin-pH-Werte schwanken ganz normal. Es ist Ausdruck der renalen Regulation der Menge der jenigen Substanzen im Körper, die Einfluss auf den pH-Wert haben (Proton, Ammoniumion, Hydrogencarbonat, Chlorid…, genau gesagt, Protone werden ausgeschieden). Wenn also ein sauer Urin gefunden wird, heisst es keine “Übersäuerung”, sondern einfach mehr durch Urin ausgeschiedene Protonen, eben damit keine “Übersäuerung” zustande kommen kann. Genau so ist es, wie Sie es in dem Artikel beschreiben. Danke für den gut geschriebenen Artikel!

    Im Klartext: Wir messen nicht die real ausgeschiedenen Werte, sondern die Abweichungen. Das Blut reguliert den pH-Wert am besten. Wäre das Blut zu sauer, würden wir nicht mehr leben. Im Blut gibt es also keine Übersäuerung, aber Abweichungen, die ein Mediziner nicht als Übersäuerung bezeichnet.

    Fakt ist: dass die pH-Wertmessung eine einfache, günstige Methode ist, die jeder selber machen kann. Die nötige Erfahrung zur Auswertung liefern wir mit. Sicher wichtig, da wir ja nicht die realen Werte messen, wie im Labor, sondern nur die Abweichung/Entgleisung.

    Klar ist es gut, wenn ein Körper die Säuren ausscheidet anstatt Sie einzulagern. Eine sinnvolle Maßnahme – aber auf die Dauer eben nicht gesund.

    G.Schmitz

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